Eine willkürliche, alphabetisch geordnete Auswahl an kleinen Schlaglichtern auf Leben und Werk Hans Weigels.
Abendpost
Das in Frankfurt am Main beheimatete Blatt war eine der vielen deutschen Zeitungen, für die Weigel unregelmäßig Theaterkritiken schrieb. Die „Abendpost“ setzte ihn 1955 als ihren Wiener Theaterkorrespondenten ein, beklagte aber bald, dass von Weigel zu wenig käme. Kein Wunder, neben all den österreichischen Zeitungen und Zeitschriften schrieb er auch für die Münchner „Abendzeitung“, das Hamburger „Abendblatt“, die Berliner „Neue Zeitung“ oder den Berliner „Tagesspiegel“. In den 70er Jahren betrieb er auf Einladung Marcel Reich-Ranickis Literaturkritik für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.
Barabbas
Weigels in der Schweizer Emigration entstandenes Stück „Barabbas oder Der fünfzigste Geburtstag“ wurde im Jänner 1946 an der Studiobühne des Theaters in der Josefstadt uraufgeführt. Das Stück erregte Aufsehen, Weigel wurde für einige Zeit metonymisch als der „,Barabbas‘-Autor“ tituliert. 1947 wurde das Stück am Berliner Theater am Schiffbauerdamm inszeniert, auch in Graz, Salzburg und Linz gab es Inszenierungen. An diesen Erfolg als Dramatiker konnte er nie wieder anschließen.
Csokor
Als der Exilant Franz Theodor Csokor im April für einige Zeit in Wien weilte, schrieb Hans Weigel im „Wiener Kurier“, dass es für Wien wichtig wäre, wenn sein Schreibtisch „recht bald wieder hier stünde.“ 1947 kehrte Csokor zurück und wurde zum Präsident des österreichischen PEN-Clubs. Mit zunehmendem antikommunistischen Engagement brandmarkte Weigel ihn kontinuierlich in seinen Artikeln als kommunistischen Mitläufer. Im Herbst 1955, nach einem scharfen, parodistischen Artikel zu seinem 70. Geburtstag, klagte ihn Csokor wegen Verletzung der „Sicherheit der Ehre“. Es kam zu einer erstinstanzlichen Verurteilung Weigels, nach dem Rekurs dürften sich die Parteien verglichen haben.
Domerhaltungsverein
Ab 1957 war Weigel Unterstützer des Wiener Domerhaltungsverein – die Hilfe zur Erhaltung und Pflege des Wiener Wahrzeichens dürfte für ihn praktizierter Patriotismus und daher eine Art Selbstverständlichkeit gewesen sein.
Exil
Das Ehepaar Weigel flüchtete im März 1938 in die Schweiz. Hans Weigels damaliger Frau, der Schauspielerin Gertrude „Udi“ Ramlo, gelang es, für das erste Jahr der Emigration ein Engagement am Basler Stadttheater zu erlangen – das Ehepaar lebte währen der sieben Jahre in Basel. Weigel durfte, wie alle Nicht-Schweizer, nur dann offiziell arbeiten, wenn für die Arbeit kein entsprechende/r Schweizer Staatsbürger/in gefunden werden konnte und eine Genehmigung vorlag, was in seinem Fall nur selten passierte. So schrieb Weigel viele Texte unter Pseudonym, er bearbeitete (ohne Namensnennung Nestroy-Stücke für Leopold Lindtberg, schrieb Lied- und Chansontexte, arbeitete für das Kabarett, erstellte Gutachten für Verlage und lektorierte. Für seine literarischen Arbeiten fand er vorerst keinen Verleger, der Roman „Der grüne Stern“ wurde aber 1943 in der Basler „Arbeiter-Zeitung“ in Fortsetzungen veröffentlicht.
Forum Stadtpark
Weigel unterstützt die Grazer „Aktion ,Forum Stadtpark‘: Junge Gruppe – Künstlerclub Graz – Steirischer Schriftstellerbund“, wie sich das künstlerische Sammelbecken offiziell benannte, in seinen Anfängen finanziell, beratend, mit Pressemeldungen und mit einem Vortrag zu Eröffnung 1960.
Grüner Stern
In der Basler „Arbeiter-Zeitung“ erschien von August bis Dezember 1943 Weigels Roman „Der grüne Stern“ in Fortsetzungen. Bald nach seiner Rückkehr im Herbst 1945 konnte der Text in Österreich erscheinen, Weigel gab ihm 1946 den Untertitel „Utopischer Gegenwartsroman“. Bei der zweiten Auflage (1976) betitelte er ihn als „Satirischen Roman“. Die Geschichte eines Durchschnittsmenschen, der sich eine beliebige „Ideologie“ aussucht (hier: Vegetarismus), anhand derer er an die Macht kommt und einen totalitären Überwachungsstaat etabliert, wurde von der Regisseurin und Drehbuchautorin Heide Pils 1983 für das Fernsehen (ORF, ZDF) verfilmt.
Hakel
Das Ehepaar Hakel gehörte zu den Wiener Antipoden Weigels. Hermann Hakel verstand sich wie Weigel als Förderer der jungen Schreibenden, nach seiner Remigration 1947 organisierte er für den PEN-Club Veranstaltungen mit Nachwuchsschriftstellern. Von 1948 bis 1951 gab er die Zeitschrift „Lynkeus“ heraus, die sich etwa der „Entdeckung“ Ingeborg Bachmanns rühmen konnte (was Hakel in seinem Erinnerungstext „Anfänge. Literatur nach 45“ 1972 auch ausführlich tat) und auch damit in Konkurrenz zu Weigel trat. Erika Hakel hatte 1946/47 noch unter ihrem Mädchennamen Danneberg mit Weigel über ihre literarischen Texte korrespondiert, als verheiratete Hakel kritisierte sie Weigels Antikommunismus harsch, sie schrieb ihm am 10. Oktober 1950, wenige Tage nach dem „Oktoberstreik“, dass er alles verraten habe, schließlich sei er selbst einmal Kommunist gewesen und wolle „es nicht mehr wahr haben“. Hinter der „politischen Hetze“ gegen den PEN-Club glaubte sie Weigels starken Geltungsdrang auszumachen – ein Topos der Weigel-Kritik: „Sie sind Kabarettist und wollten sich als Dichter versuchen; das gelang Ihnen nicht; deshalb müssen Sie mit Witz und Lüge des Journalisten von sich reden machen.“
Iphigenie auf Geiselgasteig
Zu den unveröffentlichten Texten Weigels gehört „Iphigenie auf Geiselgasteig“, eine Art Medien- und Literaturbetriebsparodie mit Goethe als Transportmittel (die Münchner Nachbargemeinde Geiselgasteig ist der Sitz der Bavaria-Filmstudios). Weigel versuchte mit dem Manuskript offensichtlich, in erster Linie bei einem deutschen Verlag unterzukommen. Im Nachlass finden sich Absagen der Deutschen Buch-Gemeinschaft (1954) und von den Verlagen Claassen (1953), Kurt Desch (1953), Bertelsmann (1955) und Piper Verlag (1954). Weigel, der zu dieser Zeit als Herausgeber der „Stimmen der Gegenwart“ selbst intensiv mit der Beurteilung (und Ablehnung) von Literatur beschäftigt war, sah sich hier teilweise harscher Kritik ausgesetzt: Das Lektorat des Donau Verlags in München, dem das Manuskript anonym vorgelegt wurde, kritisierte 1953, der Roman sei „nicht besonders gut geschrieben, ja zum Teil sehr schluderig und flüchtig“, die Geschichte „viel zu lang ausgefahren“, die Parodie nicht „gefeilt und geistreich“ genug, eben „kein Polgar“.
Jeannie Ebner
Ebner schreibt am 7. 11. 1950 an den „sehr geehrt[en] Herr[n] Weigel“, wie wichtig es ihr wäre, „einmal eine wirklich verständige und helfende Kritik zu bekommen, denn die (teilweise erheuchelte) Bewunderung der Jüngeren und die schroffe Ablehnung von Älteren, die das Bemühen der jungen Dichter in Bausch und Bogen verdammen, nützt mir nichts.“ Ebner wird zu einer lebenslangen Freundin. Sie war Weigels „Sekretärin“ bei der Herausgabe der „Stimmen der Gegenwart“, der Verlag Dürer schrieb 1952 in einer Vereinbarung, dass sie „für das Sekretariat einen monatlichen Spesenbeitrag von S 300,-“ bekomme. Obwohl ihre Tätigkeit die einer Mitherausgeberin war, wird sie in keiner der fünf Anthologien namentlich genannt. In einer undatierten Notiz (wahrscheinlich aus den 80ern) schreibt sie: „Du hast mich ja zumindest als Autorin in die Welt gesetzt“ – sie bezieht sich auf den von Weigel herausgegebenen Gedichtband „Gesang an das Heute“ (1952).
Kongress für kulturelle Freiheit
Als exponiert antikommunistischer Publizist und Journalist wurde Hans Weigel 1950 von Melvin Lasky zum „Kongress für kulturelle Freiheit“ zur Gründungsversammlung im Juni 1950 nach Berlin eingeladen. Weigel sagte kurz vor Kongressbeginn seine Teilnahme ab, weil ihm die österreichische Delegation zu wenig ausgewogen erschien. Die Installierung einer österreichischen Dependance der aus der Veranstaltung hervorgegangenen, bis 1969 existierenden Organisation scheiterte, Friedrich Torberg wurde mit der Zeitschrift „Forvm“ zu einer Art Statthalter. Die in Wien kurzzeitig existierende „Gesellschaft für Freiheit der Kultur“ orientierte sich am „Kongress“, der an die „Sozialistische Jugend“ angeschlossene, von Milo Dor und Reinhard Federmann betriebene Verein fungierte 1952 als Herausgeber von Weigels „Stimmen der Gegenwart“, war aber sonst nicht mit dem „Kongress“ verbunden und erhielt, im Gegensatz zum „Forvm“, daher auch keine CIA-Gelder.
Le Lavandou
Hans und „Udi“ Weigel besuchten im Sommer 1939 den südfranzösischen Ort Le Lavandou. Dort hatte sich um den Schriftsteller Emil Alphons Rheinhardt eine kleine österreichische Exilkolonie gebildet, die mit Kriegsausbruch und den Internierungen der „feindlichen Ausländer“ zerbrach. Rheinhardt blieb in Frankreich, wurde verhaftet und starb im Februar 1945 im KZ Dachau an Typhus. Der letzte kriegsfreie Sommer an der Riviera dürfte noch einigermaßen unbeschwert verlaufen sein, Weigels Besuch folgte ein intensiver, warmherziger Briefwechsel der Exilanten bis zur Inhaftierung Rheinhardts 1943.
Molière
Ende 1962 stellte Weigel seine Tätigkeit als Theaterkritiker ein. Ausschlaggebend dafür war unter anderem der Plan, die Stücke Molières zu übersetzen. Seit seinem rund einjährigen Aufenthalt in Paris 1931 sprach Weigel gut Französisch. Der Zürcher Diogenes Verlag vertrieb und verlegte die Übersetzungen, die er dem Original entsprechend teilweise in Alexandrinern abfasste. Die übersetzten Stücke: „Der Arzt wider Willen“, „Don Juan oder Der steinerne Gast“, „Der eingebildete Kranke“ („Der Hypochonder“), „Der Geizige“, „Die gelehrten Frauen“, „Der Herr aus der Provinz“, „Tartuffe oder Der Betrüger“, „Der Wirrkopf“, „Der Menschenfeind“, „Die Lästigen“, „Die Schule der Ehemänner“, „Der Bürger als Edelmann“, „Der Betrogene oder George Dandin“, „Vorspiel in Versailles“, „Die Gaunereien des Scappino“, „Die lächerlichen Schwärmerinnen“, „Sganarell oder der vermeintlich Betrogene“, „Die erzwungene Heirat“, „Die gelehrten Frauen“.
New York
Von Mai bis August 1948 reiste Weigel nach New York, dem Exilort der Eltern sowie vieler Verwandter, Bekannter und Freunde. Die Eltern und nahe Verwandte hatten eigentlich erwartet, dass er und Gertrud Ramlo ebenfalls in die USA emigrieren und zeigten wenig Verständnis für ihr Ausharren in der Schweiz. Die Reise diente also auch dem versuchten Anschluss an die Exilierten, was aber nicht gelang. Für Weigel war der verlorene Krieg das Unüberwindliche, er machte in den Briefen nach Wien den Amerikanern und Exilierten zum Vorwurf, dass sie (sei es auch unbewusst) sich als Sieger gerierten. Der Remigrant Weigel identifiziert sich also völlig mit den Österreichern, die den Krieg „zu Hause“ (oder an der Front) verbrachten. Die Stadt New York schildert er, aus dem kriegsversehrten Wien kommend, u.a. in einem Artikel für den „Standpunkt“ (Meran, Juni 1948) als perfekt funktionierenden Organismus, beeindruckt von der Vertikalität der Stadt und den technischen Errungenschaften, wie etwa dem im Stadtbild präsenten Helikopter, dem „Fahrrad der Lüfte“, oder den vielen Telefonen: „So viele Leute haben Telephone, dass das Verzeichnis sämtlicher Telephonbesitzer eine Bibliothek für sich ist und kaum mehr gehandhabt werden kann.“ Im Endeffekt stellt er aber die „abendländische Erfahrung“, die Wortkultur Europas über die „Zahlenkultur“ der USA.
Österreich
Der Patriot Hans Weigel galt vielen seiner Zeitgenossen ab den 50er Jahren als der Österreich-Erklärer, vor allem mit zwei Büchern schrieb er dieses Rolle fest: „O du mein Österreich“ (1956; Österreich, „das staatsgewordene Paradoxon“) und „Flucht vor der Größe. Beiträge zur Erkenntnis und Selbsterkenntnis Österreichs“ (1960; Österreich, die „spannungsreiche Undefinierbarkeit“). Weigels Patriotismus rührte sicher aus der Exilerfahrung her, dem in den ersten Monaten seines Schweizer Exils verfassten Romanmanuskript gab er den Titel „Abschied von Österreich“. Gegen Ende seines Exils beteiligte sich Weigel an der „Frei-Österreichischen Bewegung“ und organisierte im Juni 1945 einen „österreichischen Abend“ in Basel, den er moderierte und bei dem er eine „Kleine Rede über Österreich“ hielt. In dieser Rede erinnerte er an Österreichs revolutionäre Vergangenheit, ein Aspekt, der in den späteren Österreich-Büchern keine Berücksichtigung mehr fand: „Österreichisch war der Fortschrittsglaube der Revolution von 1848 und der Revolte des 15. Juli 1927 – aber Österreicher unterdrückten ihn grausam und blutig; österreichische Arbeiter verteidigten im Februar 1934 todesmutig und heldenhaft in einem aussichtslosen Kampf die Errungenschaften ihrer sozialistischen Heimatstadt Wien – aber eine österreichische Regierung liess schwere Artillerie gegen Arbeiterwohnhäuser einsetzen“.
Polgar
Neben Karl Kraus war Alfred Polgar für Weigels Stil und Haltung in seiner Theater-, Literatur- und Zeitkritik der wichtigste Bezugspunkt. Ähnlich wie in Kraus sah er in Polgar in der unmittelbaren Nachkriegszeit eine Leitfigur für die Ausrichtung der Kritik nach der Nazizeit – in der Juli-Nummer der Kulturzeitschrift „Turm“ schrieb er 1946 davon, dass man in Polgars Sinne die Wiener Kritik von heute zu kritisieren habe. 1948 prangert er an, dass man Polgar gegenwärtig keine Möglichkeit gebe, Feuilletons zu schreiben und er Lustspiele übersetzen müsse: „Was für eine Zeit, die mit einem solchen Geist nichts Besseres anzufangen weiß, als ihn Handlangerdienste am kleinen fremden Wort leisten zu lassen, wo sein bitter wissendes Wort uns so bitter not täte!“ Im „Abendbuch“ (1989) bezeichnet sich Weigel als Schüler Polgars, der „tief, tief unter seiner Höhe“ stehe, Polgar sei „der größte und vermutlich der letzte Schöpfer“ der Gattung Feuilleton gewesen.
Qualtinger
In den 50er Jahren arbeitete Weigel mehrere Male mit Helmut Qualtinger zusammen, etwa für das Programm „Sündenfälle. Heitere Aktualitäten um den Film und andere Katastrophen“, das 1951 im „Kleinen Haus“ der Josefstadt in der Liliengasse gegen wurde; oder für „Marx und Moritz. Ein west-östliches Hindernisrennen“ (Intimes Theater, 1958). 1959 schrieb Weigel für die Sammlung „Blattl vor’m Mund“ von Carl Merz und Helmut Qualtinger das Vorwort. Für einen seiner berühmten ,practical jokes‘ erfand Qualtinger – laut Roman Roček gemeinsam mit Weigel – einen grönländischen Dichter namens Kobuk. Qualtinger verfasste eine Presseaussendung und rief mit der Stimmer Franz Theodor Csokors, dem damaligen PEN-Präsidenten, bei der „Arbeiter-Zeitung“ an – und die AZ brachte am 7.7.1951 tatsächliche die Meldung vom Eintreffen Kobuks auf Einladung des österreichischen PEN.
Reich-Ranicki
Marcel Reich-Ranicki, 12 Jahr jünger als Weigel, stand seit dem Ende der sechziger Jahre mit ihm in Kontakt. Als er Anfang 1974 das Literaturressort der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ übernahm, schrieb er an Weigel: „Eine der Aufgaben, die ich hier in der Redaktion vor mir sehe, ist, Sie als Mitarbeiter zu gewinnen. Ich weiß genau, was Sie antworten werden – daß Sie nämlich keine Zeit hätten.“ Reich-Ranicki, sich als „alten Bewunderer“ Weigels titulierend, schickte ihm mit diesem Brief gleich ein Buch mit – die Überrumpelung gelang, Weigel war nun (unregelmäßig) Rezensent der „FAZ“. Weigel und Reich-Ranicki hatten beim ersten Ingeborg-Bachmann-Preis 1977 einen gemeinsamen öffentlichen Auftritt als Juroren.
Scala
Das „Neue Theater in der Scala“ in der Favoritenstraße 8 war ein für die Wiener Theatergeschichte einmaliges Experiment: Es war ein genossenschaftlich geführtes, selbstverwaltetes Schauspielertheater, das in volksbildnerischem Anspruch dem Publikum Theateraufführungen mit hohem Niveau und niedrigen Kartenpreisen anbieten wollte. Die zentralen Persönlichkeiten dieser Gründung kamen aus dem Schweizer Exil und waren Ensemblemitglieder des Zürcher Schauspielhaus gewesen: Wolfgang Heinz, Karl Paryla und Emil Stöhr. Das Zürcher Schauspielhaus war für Weigel eine Art geistige Heimat während des Exils, mit Heinz, Paryla und Stöhr stand er in freundschaftlichem Kontakt. Falsch ist, dass das 1948 eröffnete Theater von der sowjetischen Besatzungsbehörde geleitet wurde, wie man wiederholt lesen kann, richtig ist, dass ein Großteil der Mitarbeiter kommunistischer Gesinnung war. Falsch ist, dass Weigel öffentlich gegen die Scala agitierte, wie etwa auf wikipedia zu lesen ist. Richtig ist, dass er Inszenierungen kritisierte, die er als einseitig kommunistisch empfand (etwa Ernst Fischers Schauspiel „Der große Verrat“), dass er aber vielfach Schauspiel- und Regieleistungen lobte, 1950 gleich das „Repertoire für die kommende Spielzeit“. Am 11.6.1956 schrieb er im „Bild-Telegraf“: „Abschiednehmend muß man gerade als Gegner ihrer Ideologie den Scalaleuten bescheinigen, daß sie mit vollem Einsatz und anerkennenswertem Gelingen häufig gutes Theater gemacht haben. Sie wären im demokratischen Staat auch weiterhin aller Chancen des freien Wettbewerbs würdig.“ Die meisten „Scalaleute“ mussten 1956 in die DDR gehen, da sie als Kommunisten punziert keine Engagements im Westen bekamen, gegen Wolfgang Heinz und Karl Paryla und deren Auftritte im Westen agitierte in der Folge Weigel und bezeichnete sie 1958 gar als „kommunistische Agenten“.
Theater am Schiffbauerdamm
Ausgerechnet jenes Theater, das ab 1954 das von Bertolt Brecht gegründete Berliner Ensemble beherbergte, war die Heimstätte der einzigen Aufführung eines Weigel-Stücks in Deutschland. Aber unmittelbar nach dem Krieg war Weigels Antikommunismus erst im Entstehen, Brecht noch in den USA und der „Brecht-Boykott“ in weiter Ferne. Das Theater am Schiffbauerdamm inszenierte im Februar 1947 Weigels „Barabbas“. Beim Zustandekommen der Aufführung dürfte Weigel geholfen haben, dass der Regisseur Franz Reichert der Bruder ein Wiener Jugendfreundin Weigels war und diese sich für das Stück einsetzte, wichtiger war aber sicher der Kontakt zu einem einflussreichen Presseoffizier der britischen Besatzungsmacht (die ihr Einverständnis zur Aufführung geben musste), zu Peter de Mendelssohn: Dieser war seit 1936 mit Hilde Spiel verheiratet, und Spiel war seit den 30er Jahren mit Weigel bekannt, seit ihrem ersten Nachkriegsbesuch Wiens im Spätwinter 1946 mit Weigel befreundet. 47 Szenenbilder der Berliner Aufführung finden sich auf der Website www.deutsche-digitale-bibliothek.de, wenn man die Suchstichworte „Weigel“ und „Barabbas“ eingibt.
Unerfreuliche Stücke
Im November 1947 beantwortet Weigel – einer „der meistgenannten unter den gegenwärtigen österreichischen Dramatikern“ – in der Wiener Illustrierten „Film“ die Frage der Redaktion, warum gegenwärtig nur „unerfreuliche“ Stücke geschrieben würden, wo doch das Publikum abgelenkt und zerstreut werden möchte, sinngemäß damit, dass man in unerfreulichen Zeiten lebe: „Wie sollte es ein Schriftsteller, heftiger leidend und mitleidend, fertigbringen, sich durch Wochen und Monate in gelöst heitere Stimmung zu versetzen und seine Arbeit mit ihr zu erfüllen? Und wohin soll er sich auf seiner Flucht aus der Zeit begeben?“ – „Wer heute ins Theater gehen will, um zu lachen, macht sich lächerlich.“
Verband sozialistischer Studenten Österreichs
Für diese SPÖ-Vorfeldorganisation hielt Hans Weigel wiederholt Vorträge. 1950 lud man den „werten Genossen“ zu einem Vortrag zum Thema „Kulturkrise in Österreich?“ in die Räumlichkeiten der Gewerkschaft der Metall- und Bergarbeiter ein. 1959 konnte der Zuständige, Heinz Fischer, ihn für den Vortrag „Die Situation des Wiener Theaters“ gewinnen, im Jahr darauf lud ihn der Sektionsobmann Hannes Androsch ein, im Klubraum über „Welche Aufgabe hat die Theaterkritik?“ zu sprechen.
Witzwanze
Im Zuge der sogenannten Dorsch-Affäre schrieb Otto Basil am 15. April 1956 einen geharnischten Artikel gegen Weigel im „Neuen Österreich“. Nachdem Basil für seine Zeitschrift „Plan“ und danach für die Zeitung „Neues Österreich“ Weigel immer wieder um Beiträge gebeten hatte, drifteten die beiden ab 1950 auseinander und wurden bald zu erbitterten Gegnern, nicht zuletzt weil Weigel in Basil eine Kryptokommunisten sah, die für ihn gefährlichste Art der Unterwanderung demokratischer Strukturen. In dem Artikel schrieb Basil: „Demokratie ist kein Freibrief für Freibeuter der öffentlichen Meinung, für intellektuelle Terroristen und Gangster, nicht einmal für literarische Clowns und Kultur-Kabarettisten. Für Libertiner, die vom übelsten Tratsch leben, für Kulissenschlieferl, Witzwanzen, Frotzler und Spassettlmacher, die ihr trauriges Handwerk in der Kulturmanege auf Kosten ihrer Mitbürger betreiben, kann es in der Demokratie nur eine Einrichtung geben: das Gericht.“ Basil verwendet hier (unbewusst?) antisemitische Stereotype, etwa den Vergleich jüdischer Journalisten mit Ungeziefer. Weigel und sein Anwalt, der spätere Justizminister Christian Broda, klagten Basil. In der Hauptverhandlung führten Basil und sein Anwalt aus, man wolle Weigel „nicht mit einer Wanze identifizieren, man meint, nur die hervorstechendste Eigenschaft einer Wanze: sie sticht, das tut auch Weig[el], deshalb wurde er so bezeichnet.“ Der Prozess wurde nicht fortgesetzt, die gegnerischen Parteien verglichen sich im Dezember 1956.
Zentralstelle für Kriegswirtschaft Basel-Stadt
Im August 1942 wurde Hans Weigel in seinem Exilort Basel zu einem „Arbeitseinsatz“ gezwungen. Er wurde dem Arbeitslager Bürgerspital zugewiesen und musste Feldarbeit leisten. Im Vergleich zu Internierten, die einer verbotenen politischen, gar kommunistischen Betätigung überführt und in alpine „Sonderlager“ mit harten Arbeitsbedingungen eingewiesen worden waren, hatte es Weigel in Basel wohl besser erwischt. Da aber die Lebensmittelversorgung offensichtlich unzureichend war, kam Weigel bei der „Zentralstelle für Kriegswirtschaft Basel-Stadt“ um die Bewilligung von Zusatz-Lebensmittelkarten ein. Bei einer Besichtigung vor Ort überzeugte sich die Behörde davon, dass Weigel die „Zwischenverpflegung am Arbeitsplatz“ erhalte – und lehnte sein Ansuchen ab.